Warum ich mich entschieden habe meiner beruflichen Ausbildung eine systemische Therapieausbildung „anzuhängen“.
Mikrokosmos Familie
Ich glaube, dass stärkste Gefühl in mir war und ist immer noch große Sehnsucht nach Familie im engen und weiteren Sinne. Verbunden damit ist der Wunsch ein größeres Verständnis dafür zu erlangen, was in diesem so erstaunlichen Mikrokosmos passiert. Welche Dynamik wohnt ihm inne? Ist dieser Mikrokosmos starr oder beweglich, beides oder etwas dazwischen? Kann man ihn reaktivieren, wenn er einmal zum Stillstand gekommen ist. Geht das überhaupt „Stillstand“? Lebt er nicht weiter, weil immer etwas nachwirkt in uns? Sichtbar, unsichtbar, bewusst oder unbewusst in Form von Energie?
Es gibt nicht nur „eine Wirklichkeit“
Indem ich mich therapeutisch im Rahmen einer Therapie und fachlich im Rahmen der Ausbildung der Frage nach Familie, nach den Systemen, in denen wir leben näherte, kam ich auch mir selbst näher. Das Zulassen der Mehrdimensionalität von Perspektive, abhängig von Standpunkt und Ausgangslage, subjektiv empfundener und erlebter „Wirklichkeit“, war entscheidend dabei.
Es sind die persönlich erlebten Momente des Aufbrechens die mich in meiner Arbeit menschlich mit den Klienten verbinden
Es ist immer ein besonderer Augenblick der Demut, wenn völlig Fremde, den „Raum des therapeutischen Gesprächs“ mit mir betreten. Die Entscheidung meines Gegenübers „sich zu zeigen”, etwas zu offenbaren von sich, erfüllt mich jedes Mal mit Demut. Dieser Akt erfordert Mut, er ist mit Intimität geschwängert. Er ist kraftvoll, verletzlich, berührend und voller Hoffnung zugleich. Ich erlebe in diesen Augenblicken etwas übergreifend menschlich Verbindendes, etwas Mitfühlendes, ohne dabei eine gewisse notwendige emotionale Distanz und Klarheit aufgeben zu müssen, die meine Rolle als systemische Therapeutin verlangt.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle ist ein lebenslanger Prozess
Die eigenen Erfahrungen im Kontext von Familie ermöglichen mir “mitzuschwingen”, diesen inneren Raum in mir entstehen zu lassen, für Gefühle die beim Klienten*In noch in einem Bereich des Nichtbewussten oder Unaussprechbaren liegen (Übertragung und Gegenübertragung). Die Auseinandersetzung mit der eigenen, innerfamiliären Rolle, als Tochter, Schwester, Enkelin, Freundin und Mutter ist für mich eine innere und äußere Notwendigkeit. In den verschiedenen Phasen des Lebens rückt sie unterschiedlich stark in den Vordergrund. Ich betrachte sie als lebenslangen Entwicklungs- und Wachstumsprozess, beeinflusst von Lebensalter und Reife. Das Wahrnehmen der eigenen erlebten Wirklichkeit, bei gleichzeitiger Bereitschaft im Sinne von Reframing einen Perspektivwechsel zu wagen und die sich daraus ergebene Veränderung in kognitiver, sensorischer, emotionaler Wahrnehmung, Intonation zuzulassen, ist dabei essenziell wichtig für mich.
Sieger und Besiegte
Entscheidend für mein therapeutisches Arbeiten ist dabei die Erkenntnis, dass ich nicht immer wieder auf ein “Schlachtfeld” ziehen muss, auf dem es am Ende nur Sieger und Besiegte gibt, auf dem mindestens eine*r am Ende “verblutet” und sein Leben lässt. Ich kann mich aktiv und eigenverantwortlich entscheiden all meine Energie, meine verbliebenen Ressourcen, nicht dafür zu verwenden Verletzungen abzuwehren oder zurückzuschlagen. Stattdessen kann ich sie einsetzten, um ein besseres Verständnis der Situation, der entstandenen Dynamik, der Motive der anderen und auch meiner eigenen dahinter liegenden Bedürfnisse zu erlangen.
Neubildung
Auf Grundlage dieses Prozesses kann etwas Neues, Anderes entstehen. Gemeinsam, innerhalb des Systems unter Mitwirkung aller Beteiligten, oder aber für mich allein. Ich erlange wieder einen Zustand der “Handlungsfähigkeit” und begreife, dass ich nicht allein abhängig bin von dem Agieren Anderer. Meine innere Haltung, mein Zurückkehren zur Authentizität meines Fühlens, Wollens und der daraus resultierenden Kommunikation und dem daraus resultierenden Verhalten in Beziehung zu anderen sind sehr kraftvolle Instrumente der Selbsthygiene und des verantwortlichen In-Beziehung-Tretens.
Landschaften
Ich durfte auf der Reise meines Lebens bisher viele Landschaften erkunden. Um im Bild der Reisenden zu bleiben, kann ich sagen, dass ich viel erlebt habe, viel erfahren durfte, auch über mich. Ich bin Umwege gegangen, habe entschieden zu verweilen, bin wieder aufgebrochen, immer wach, immer neugierig, immer gespannt.
Systemische Therapie mit geweitetem Herz
Wach, neugierig und gespannt zu sein und zu bleiben ist für mich eine innere Haltung in meiner therapeutischen Arbeit geworden. So möchte ich Menschen begegnen, allem voran mit klarem Verstand und geweitetem (nicht verengtem) Herz.
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